San Miguel de Allende, Mexiko
Wir halten mit unserer Berta vor einem großen Metalltor.
Auf der anderen Seite des Tors steht ein kleines Häuschen.
Die Tür des Häuschens öffnet sich und ein Mann kommt auf uns zu. Langsam schiebt er das Tor zur Seite, bis wir durchfahren können.
“Estamos buscando Matthias” (= wir suchen Matthias) sagen wir ziemlich laut durch das heruntergekurbelte Fenster, um die Motorengeräusche zu übertönen.
Der Mann schmunzelt und sagt “Ah si, adelante“ (= Ja, kommt herein). Er zeigt mit dem Finger auf den hinteren Teil des Werkstatthofes.
Wir fahren in die Richtung, in die der Pförtner ungefähr gedeutet hat.
Da sehen wir, dass wir nicht die einzigen Overlander sind, die dem guten Ruf von Matthias hierhin gefolgt sind.
Matthias ist Deutscher, vor vielen Jahren ausgewandert und Chef der Autowerkstatt Euro Latino Racing.
Im großen Hinterhof der Werkstatt steht ein Expeditionsmobil, das gefühlt dreimal so lang und zwei mal so hoch ist, wie unsere Berta. Daneben ein Landrover mit ausgebreiteter Markise. Beide mit deutschen Kennzeichen.
Wir reihen uns in die Flotte der Panamericana Reisenden auf dem Werkstatt-Hinterhof ein.
In der Werkstatt treffen wir auch noch zwei Motorrad-Reisende aus Deutschland, die ebenfalls auf Matthias warten.
“Ja, wir haben Matthias heute schon gesehen und er sollte demnächst irgendwann kommen”, sagen die beiden.
Die zwei Motorradfahrer sind gerade dabei, ihre Motorräder an Matthias zu verkaufen.
Sie fahren die Panamericana in, wie sie sagen, “arbeitergeberfreundlichen-Etappen”. Sie verbringen ihren Jahresurlaub auf der Panamericana und fahren pro Jahr für 2-3 Wochen ein Stück der längsten Straße der Welt. Anschließend fliegen sie wieder zurück nach Deutschland zu ihren Familien und ihrem Job. Gute Idee! So kann man auch reisen, wenn man keine längere Auszeit machen möchte.
Nach einer netten Plauderei mit den Motorradfahrern, kommt DER Matthias, auf den alle warten.
Wir werden sehr herzlich begrüßt und erklären ihm, warum wir hier sind: Wir wollen unsere Berta einfach mal durchchecken lassen.
Und um Verständigungsschwierigkeiten zu vermeiden, haben wir uns extra ihn, als deutsch sprechenden Mechaniker, und seine Werkstatt ausgesucht. Auf iOverlander hat sie einen exzellenten Ruf.
“Klar, kein Problem”, sagt Matthias.
Am Montag (heute ist es Samstag) kann es losgehen und Werkstattleiter David wird sich um die Absprache mit den Mechanikern kümmern.
Und so verbringen wir das Wochenende überwiegend mit Arbeiten. Abends grillen wir gemütlich mit unseren Werkstatt-Nachbarn Ben (Landrover → Ben_roamsaround) und Anja und Bernhard (Expeditionsmobil → trailsofmithandir).
Netterweise dürfen wir kostenlos auf dem Werkstattgelände übernachten. Es gibt sogar eine Dusche und eine Toilette. Und wenn man möchte, wird man sogar in die Stadt gefahren. Es ist also alles da, was man braucht. Quasi das Rundum-Sorglos Paket für Overlander.
Am Montag treffen wir David (den Werkstattleiter) und Luis (unseren Mechaniker), der Berta mal unter die Lupe nimmt.
Nur leider geht unsere eigentliche Idee nicht so ganz auf: Wir wollten es uns ja diesmal etwas leichter machen und hofften, diesen Werkstattbesuch auf deutsch regeln zu können.
Leider ist Matthias aber am Montag Vormittag auf eine mehrtägige Überführungsfahrt aufgebrochen und nicht in der Werkstatt. Und er ist der Einzige in der Werkstatt, der Deutsch spricht.
Pech gehabt!
Und so versucht Anna alles auf Spanisch mit Luis und David zu klären.
Mittlerweile ist der Werkstatt-Wortschatz so groß, dass wir wichtige Vokabeln, wie Kühler, Motor, Bremsen und Schrauben kennen.
David versteht, was wir meinen und sein Mechaniker Luis macht sich an die Arbeit: In den nächsten Stunden werden Bertas Reifen rotiert, die Lichter gecheckt und der Kühler geprüft.
Dabei entdeckt Luis, dass wir die “Rotulas” (Kugelgelenke) vorne demnächst austauschen sollten.
Wie die defekten Teile genau auf Spanisch heißen, schreibt er uns später per Whatsapp. Das macht die Suche bei mexikanischen Ersatzteilhändlern wesentlich einfacher.
Die Ersatzteile wollen wir in Oaxaca organisieren oder alternativ aus Deutschland mitbringen lassen. Wir hatten schon einmal Ersatzteile bei Mercedes in Oaxaca bestellt, die innerhalb von zwei Tagen geliefert wurden.
Eine neue Vokabel haben wir von Luis gelernt: “luz trasera antineblina” – die Nebelschlussleuchte.
Nach einem Tag ist unsere Berta durchgecheckt. Sie steht im Grunde sehr gut da, bis auf ein paar (weniger dringende) Punkte.
Bevor wir uns auf die Socken machen, erkundigen wir uns bei David, welche Strecke wir nach San Luis Potosi nehmen sollen. Mit unserer Mexiko Landkarte in der Hand zeigen wir ihm die beiden möglichen Routen.
David rät uns zur Mautstraße. Diese sei seiner Meinung nach sicherer und besser ausgebaut.
Er selbst kommt ursprünglich von der Küste in Tamaulipas und meint nur “da ist es schwierig” (das sagt er natürlich auf Spanisch). Das reicht uns als Information und wir befolgen seinen Rat.
Wir verabschieden uns von David, Luis und unseren Werkstatt-Nachbarn und fahren über die wirklich sehr gut ausgebaute Mautstraße in den Bundesstaat San Luis Potosi. Dieser Bundesstaat ist vor allem für seine Wasserfälle (= cascadas) bekannt.
San Luis Potosi, Mexiko
Die Landschaft wird immer grüner und tropischer. Überall Bäume, Farne und Moos.
Wir folgen dem Tipp einer guten Freundin und sind gespannt, was uns erwartet: Wir landen an einem tollen Übernachtungsplatz mit kleinem See und persönlichem Wasserfall vor der Tür. Ein Traum!
Es ist extrem heiß und die kommenden Tage üben wir, möglichst elegant an einer Liane in den Pool zu schwingen.
Naja, ob es jetzt so elegant aussieht, sei mal dahingestellt. Aber Spaß macht es! So richtig!
In den darauffolgenden Tagen erkunden wir weitere Orte und das Thermometer klettert jeden Tag höher. Unser Ventilator dreht sich im Akkord.
Klimaanlage – der nächste Camper wird eine Klimaanlage haben, schreiben wir uns auf unseren Memo-Zettel für zukünftige Camper.
Der Wetterbericht meldet 47 Grad. Das können wir kaum glauben.
In Köln hatten wir einmal 40 Grad. Das war zwar auch warm, aber im Prinzip kein Problem.
Aber 47 Grad plus Luftfeuchtigkeit – puhh … Das ist eine andere Nummer!
Bei dieser Temperatur kommt Anna an ihre Grenzen, selbst Anne findet das nicht mehr angenehm.
Wir triefen und fließen. Alles, was im Weg rumliegt, liegt gefühlt noch viel mehr im Weg rum.
Selbst die Dinge im Camper sind heiß: Macht man den Schrank auf, ist die Wäsche so warm, als hätte man sie gerade frisch gebügelt. Das Wasser aus unserer Leitung ist lauwarm, die Zahnpasta ist warm, die Sitze sind warm.
Und vor allem: Die Luft ist heiß. Es geht kein Luftzug.
So langsam realisieren wir, woher das Wort “Hitzkopf” kommt. Bei solchen Temperaturen sind die Nerven einfach dünn. Wir muffen uns an, und klären dann den Konflikt, der nur aus einer Kleinigkeit entstanden ist.
Wir schmieden einen Plan und machen das einzige, was man bei solchen Temperaturen in einem Camper ohne Klimaanlage machen kann: Den Camper verlassen und ein Wasserloch suchen, um sich reinzulegen.
Bei der “Stadt” Rio Verde werden wir fündig: Hier soll ein Balneario bei den Cascadas Los Micos sein. Ein Balneario ist quasi ein natürliches Freibad an einem Fluss oder See.
Leider gibt es auf dem großen Parkplatz vor dem Balneario keinen einzigen Baum und damit auch keinen Schatten. Gezwungenermaßen müssen wir Berta in der prallen Sonne parken.
Also nichts wie raus aus dem Camper!
Im Balneario werden wir mit Schwimmwesten ausgestattet und legen uns im Schatten in den Fluss.
Was. für. eine. Wohltat!
Dann gönnen wir uns noch ein bisschen Nervenkitzel und buchen uns einen Guide zum Wasserfall-Springen. Wir springen insgesamt 7 Wasserfälle hinunter. Anne traut sich sogar an den höchsten Wasserfall mit 8 Metern. So ein Spaß!
Unter Mexikanern ist dieses Balneario und der gesamte Bundesstaat San Luis Potosi ein beliebtes Urlaubsziel.
Vom internationalen Tourismus ist die Region scheinbar noch eher unentdeckt. Wir sehen an den Attraktionen in der Region kaum andere ausländische oder europäische Touristen. Dabei ist der Bundesstaat mit seinen Flüssen und Wasserfällen ein toller Reisetipp für Mexiko.
Die Temperaturen sinken zum Glück ein wenig und wir füllen unsere Vorräte im gut sortierten Supermarkt auf.
Als wir gerade im Schneckentempo durch den Markt schlendern, werden wir freundlich angesprochen “where do you live?”
Auch für die Mexikaner ist es wohl ungewöhnlich, dass sich Touristen hierhin verirren.
Als wir antworten, dass wir aus Deutschland kommen und momentan in unserem Camper leben und durch Mexiko reisen, ist die Verblüffung groß.
Am Abend fallen wir in unser (natürlich warmes) Bett, alle Decken sind beiseite geschoben. Unseren Ventilator klemmen wir ins Fenster, damit irgendein Luftzug geht.
Wir übernachten auf dem Parkplatz des Balnearios, wo viele andere Overlander auch schon übernachtet haben.
Als wir gerade im Dämmerschlaf sind, geht es los: Der Nachtwächter versüßt sich seine Nachtschicht mit lautstarker mexikanischer Musik und beschallt den ganzen Parkplatz.
Bei Tuba- und Trompeten-Klängen dämmern wir langsam ein.
Die Hitze ist eine Grenzerfahrung für uns. Rückblickend können wir bereits darüber lachen.
Aber natürlich fragen wir uns angesichts der Erderwärmung: Wie gehen wir Menschen und alle anderen Lebewesen damit um, wenn solche Wetter-Extreme häufiger werden?
Grutas de Tolantongo, Hidalgo
Unser nächstes Ziel sind die Grutas de Tolantongo im Bundesstaat Hidalgo.
Die Grutas sind wunderschöne heiße Becken in einer atemberaubenden Berglandschaft.
Sie liegen schlappe 8 Fahrstunden entfernt. Also rechnen wir mal eher mit 10 Stunden.
Wir haben die Wahl zwischen drei unterschiedlichen Strecken:
- Lang und kurvig
- länger und kurviger
- noch länger und noch kurviger
Da fällt die Wahl doch leicht, oder nicht?! Wir wählen natürlich die dritte Route.
Das hat einen guten Grund: Auf der dritten Route sind ein paar Übernachtungsoptionen auf iOverlander eingetragen. Wir hätten damit die Option, einmal zu übernachten und am nächsten Tag den Rest der Strecke zu fahren.
Die Route ist ziemlich anstrengend, aber auch super interessant und spannend. Wir fahren durch kleine Dörfchen am Berghang und immer wieder offenbart sich ein toller Ausblick.
Bei einer kleinen Bäckerei versorgen wir uns mit ein paar Brötchen und machen Mittagspause an einer Tankstelle.
Nach über 10 Stunden Berg- und Talfahrt haben wir die Strecke geschafft und kommen an unserem Übernachtunsplatz in der Nähe der Grutas an.
Anne sollte den goldenen Führerschein bekommen für ihre Fahrerinnen-Meisterleistung in den mexikanischen Bergen.
Und tatsächlich ist die Overlander Welt klein: Wir treffen am Übernachtungsplatz Sara und Tobi mit Hund Rio, die wir schon beim Vanlife Festival auf Baja California getroffen hatten.
Am nächsten Tag fahren wir zu den Grutas hinunter. Allerdings sind wir so erledigt von der Bergroute, dass wir einen ruhigen Arbeitstag im Van einlegen. Wir sind voll mit Impressionen aus den letzten Tagen und vermutlich auch einfach körperlich noch geschafft von den heißen Tagen.
Hier an den Grutas ist es angenehm kühl und wir genießen jeden Atemzug der frischen Bergluft.
Anne stellt den Starlink auf und erstaunlicherweise hat er auch hier super Internetempfang.
Am nächsten Morgen wollen wir die Pools an den Grutas erkunden.
Als wir zum Wasser laufen, wird uns klar, dass wir eine Sache nicht bedacht haben: Es ist Ostern und wir sind an DEM mexikanischen Feiertagswochenende an einem der beliebtesten Ausflugsziele Mexikos.
Wahnsinnig schlau!
Trotzdem finden wir in einem der Becken Platz und genießen die Aussicht. Den Rest der Grutas lassen wir aber aus. Es ist einfach zu voll. Naja, man muss nicht alles gesehen haben.
Auch das ist eine Seite Mexikos: Es ist voll, es ist laut. Manchmal wünschen wir uns an einen ruhigen Ort. Einfach mal keine Tuba, kein Hahn, keine Hunde, keine Autos. Niemand, der etwas von einem will.
Ohne Menschenmassen sind die Grutas Tolantongo sehenswert. Das Wasser hat eine besonders blaue Farbe und die Aussicht in den Becken am Hang ist toll. Die Grutas sind auch per Mietwagen oder im Rahmen einer Tagestour von Mexiko Stadt* aus erreichbar.
Wir fahren zu Sara und Tobi, die einen schönen ruhigen Platz an einem Fluss gefunden haben. Gemeinsam verbringen wir ein paar entspannte, ruhige und sehr nette Tage, bevor die drei wieder in Richtung USA aufbrechen.
Unser nächstes Ziel ist Puebla: Dort gibt es die beste Mole der Welt. Kommst du mit?
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