Der Regen prasselt gegen unsere Fenster. Draußen peitscht der Wind durch den Canyon. Wir sind in der Nähe der Stadt Ixmiquilpan im Bundesstaat Hidalgo, Mexiko.
Es ist bereits stockdunkel und wir campen allein auf diesem kleinen Rasenstück neben dem Fluss, der sich durch den Canyon schlängelt.
Die letzten Tage haben wir mit Sara, Tobi, Noémie und Julien verbracht.
Wir durften das leckere Baguette von Noémie aus der Omnia probieren (ja, wir haben das Rezept bekommen!). Und mit Rio, dem griechischen Schäferhund von Sara und Tobi, haben wir einige Runden Bällchen gespielt. Tobi hat noch geholfen, die Schiebetür an unserem Sprinter zu reparieren.
Diesen Vormittag sind sie weitergezogen, denn in wenigen Tagen wollen die beiden Reiseteams wieder zurück in den USA sein.
Teotihuacán oder lieber nicht?
Unser Plan ist es, weiter zu den Maya Ruinen “Teotihuacán” in der Nähe von Mexiko City zu fahren.
Wir haben schon einmal am Anfang unserer Reise bei diesen Pyramiden übernachtet. Dabei haben wir gesehen, wie Heißluftballons am frühen Morgen über den Pyramiden aufgestiegen sind.
Stell dir das mal vor: Heißluftballons im Morgennebel über den Pyramiden.
“Das wollen wir auch machen”, haben wir gesagt.
Da wussten wir noch nicht, dass wir dieses Vorhaben nicht umsetzen werden.
Eine Freundin, die gerade bei Teotihuacan ist, schreibt uns eine Whatsapp: Sie ist Augenzeugin eines Unfalls geworden. Einer der Heißluftballons hat in der Luft Feuer gefangen, was zu einer schlimmen Tragödie führte.
“Das machen wir doch nicht”, beschließen wir einstimmig.
Cholula
Wir streichen Teotihuacán und entschließen uns, weiter nach Cholula zu einem “Campingplatz” fahren.
Dazu muss man wissen: Die Bezeichnung Campingplatz sagt in Mexiko nicht viel über die Ausstattung des Platzes aus.
Es gibt in Mexiko einige Campingplätze, die mit ihrer Ausstattung europäischen Plätzen ähneln. In manchen Fällen ist es aber auch einfach nur ein Parkplatz, auf dem ab und zu Camper stehen.
In diesem Fall ist es ein alter Campingplatz, der etwas in die Jahre gekommen ist. Zwei sehr große Hunde passen auf, wer ein und ausgeht.
Es gibt heiße Duschen und das Beste an dem Platz: Wir stehen in der Nähe der Innenstadt und können den Camper stehen lassen und zu Fuß in die Stadt laufen.
Die ganze Fahrt nach Cholula über hat uns der Gedanke an Pizza Margherita begleitet. Wir parken Berta auf dem Platz und machen uns auf die Suche nach einer Pizzeria in der Stadt.
Jaa stimmt, Pizza ist jetzt kein richtiges traditionelles mexikanisches Gericht … aber wenn man so lange unterwegs ist, hat man ab und an auch Lust auf “gewohntes” Essen.
Wir laufen schnurstracks und sehr zielgerichtet in Richtung Innenstadt (wie schnell man laufen kann, wenn man Hunger und Lust auf Pizza hat).
Cholula überrascht uns positiv. Es gibt viele kleine nette Cafés, Restaurants und einen angenehme Atmosphäre in der Stadt. “Nett, nett, nett”, finden wir es hier.
Besonders beeindruckend ist der Blick auf den Vulkan.
In einem kleinen Hinterhof finden wir unsere Pizza. Die Sauce hat etwas viel azucar (Zucker) abbekommen. Egal, es schmeckt trotzdem wie Pizza Margherita. Gut gesättigt laufen wir zurück zu unserem “Campingplatz”, wo uns das Tor aufgeschoben wird. Der große Husky hebt kurz den Kopf und lässt ihn gleich wieder fallen, als würde er denken “Ach, die sind es nur”.
Puebla
Am nächsten Tag fahren wir nach Puebla. Dort wollen wir im Restaurant El Mural essen gehen. Dieses Restaurant haben wir vor einigen Jahren bei einer Mexiko-Reise entdeckt und es ist bis heute eines der zwei besten Restaurants, die wir in ganz Mexiko besucht haben.
In Puebla steuern wir die Policia Turistica an und fragen, ob wir direkt vor der Polizeistation übernachten können (wie beim letzten Mal auch).
Die Polizistin in der schusssicheren Weste sucht mit uns eine Lücke zwischen den Polizei-Jeeps, die Stoßstange an Stoßstange geparkt sind. Sie zuckt mit den Schultern. Es gibt aktuell keinen Platz für uns. Wir könnten später wiederkommen und schauen, ob dann ein Platz frei wird.
In einer ruhigen Seitenstraße finden wir erstmal einen Parkplatz für Berta. Direkt vor einem Copy Shop, der gut besucht ist. Wir schätzen diesen Parkplatz als “sicher” ein und laufen in Richtung Innenstadt.
Dann geht es direkt zu unserem Lieblingsrestaurant, wo es unserer Meinung nach die beste Mole Poblano gibt.
Im Restaurant bestellen wir, wie immer – es ist unser dritter Besuch in diesem Restaurant – die grüne Mole und die Mole Poblano. Das Restaurant ist super edel, wir fühlen uns in unseren normalen Klamotten etwas underdressed.
Als wir damals unseren Camper für die Reise gepackt haben, dachten wir, dass wir im Dschungel Mexikos, in den Nationalparks der USA und in den kanadischen Rockies vermutlich keine Verwendung für elegantes Abendkleid mit floraler Stickerei auf feiner Seide haben.
Tja, insofern sitzen wir eben mit eher “praktischen” Klamotten in diesem schicken Restaurant. Schmeckt trotzdem lecker 😉
Der Stuhl wird uns herangerückt, die Serviette mit einer Pinzette auf den Schoß gelegt, es gibt leckeres Brot mit Aufstrich als Vorspeise und beim Hauptgericht sind wir im kulinarischen Essens-Glück gelandet.
Einem anderen Gast wird sogar ein Lätzchen umgebunden. Wir sind dankbar, dass uns das Lätzchen erspart bleibt und die Kellner bei uns wohl Vertrauen haben, dass eine Serviette auf dem Schoß ausreichend ist. Wir haben sie übrigens nicht enttäuscht, alles blieb blütenweiß.
Nach unserem Festmahl schlendern wir zufrieden zurück zu Berta und fahren zum Campingplatz in Cholula.
Jardin Botanico
Am nächsten Tag geht die Reise weiter. Unser Ziel ist der Jardin Botanico, der sich auf halber Strecke nach Oaxaca befindet.
Der Jardin Botanico ist ein riesiger Kaktusgarten. Dort waren wir bereits, als wir das erste Mal durch Mexiko gefahren sind. Wenn du die Terra X Doku gesehen hast, dann kennst du den Jardin Botanico. Die allererste Szene sind Drohnenaufnahmen, die wir damals beim Durchfahren durch den Jardin Botanico gemacht haben.
An diesem Tag zeigt das Thermometer 31 Grad. Wir schwitzen auf unseren Sitzen. “Das nächste Mal kaufen wir einen Camper mit Klimaanlage”, vermerken wir in diesem Moment auf einem gedanklichen Notizzettel.
Im Jardin Botanico hüpft Anna in Adiletten aus dem Auto und spürt plötzlich einen Stich. Tatsächlich hat sich ein Kaktusstachel durch die Sohle der Adilette gebohrt! Autsch.
Oaxaca
Nach nur einer Nacht im Jardin Botanico – es ist einfach zu warm hier – fahren wir weiter nach Oaxaca. Dort treffen wir Brit und Nico, Jannis und Isaia sowie Nora und Lohid mit ihren Kids.
Es ist total schön, unsere Reisefreunde immer wieder an verschiedenen Orten während der Reise zu treffen: Austausch, Gemütlichkeit, Lachen, Neues und Vertrautes in der Fremde. Einfach schön.
Vor einem Jahr waren wir schon einmal auf diesem Campingplatz und alles sieht immer noch so aus, wie damals.
Auf diesem Platz tummeln sich häufig deutsche, schweizer und amerikanische Overlander, die die Panamericana fahren.
Hier wird Müll akribisch getrennt, der Pool jeden Tag geputzt, es gibt abgesteckte Parzellen für die Wohnmobile mit kleinen Zäunen, der Rasen ist tip top in Schuss und die Duschen sind heiß.
Cali, der Caretaker des Platzes und quasi auch Herzstück dieses Ortes, bläst wie auch letztes Jahr um 7:30 Uhr morgens mit dem Laubbläser das Laub weg. Damit ist der Tag eingeläutet. Ob man will oder nicht.
Mal abgesehen von der Parzellen-Einteilung mit Zäunen und dem Laubbläser ist es wirklich nett hier.
Wir verbringen einige Tage auf dem Platz und sind voller Vorfreude, denn Annes Eltern wollen uns in Mexiko besuchen kommen.
Vor dem Besuch wollen wir noch Allerlei organisieren. Ersatzteile und andere Dinge bestellen wir in Deutschland und Annes Eltern können sie uns mitbringen. Außerdem wollen wir in Oaxaca unsere Sitze neu polstern und beziehen lassen.
Doch irgendwie will das mit den Bestellungen und Orga-Dingen nicht so recht klappen. Auch wenn es nur Kleinigkeiten sind, die “normalerweise” reibungslos klappen. Anne hätte eigentlich auch noch gerne den Starlink flach auf dem Dach montiert. Das lassen wir für den Moment. Irgendwie ist der Wurm drin.
An einem Abend telefoniert Anne mit ihren Eltern. Die Stimme stockt, die Tränen rollen. Anne sagt “verstehe, verstehe” in den Hörer, gefolgt von einem, “nein, ihr bleibt wo ihr seid – wir kommen”. Gemeinsam entscheiden wir, den lang geplanten und heiß ersehnten Besuch abzusagen. Die Gesundheit geht vor, Mexiko kann warten.
Wir werfen alle Pläne über Bord und buchen spontan Flüge nach Deutschland. Innerhalb kürzester Zeit müssen wir einen geeigneten Stellplatz für Berta finden.
Es gibt mehrere Storage-Möglichkeiten in der Nähe von Cancun. Uff, das wären mehrere tausend Kilometer zu fahren und dafür haben wir sehr wenig Zeit. Außerdem besteht auf Yucatan die Gefahr von Hurrikans und das Klima ist wesentlich feuchter. Keine guten Bedingungen, um einen Camper länger abzustellen.
Schließlich bekommen wir einen heißen Tipp, wo wir Berta unterstellen können.
Wir besichtigen den Platz und er ist super! Sogar mit Überdachung.
Mit dem Besitzer vereinbaren wir, dass wir Berta in wenigen Tagen abgeben können.
Wir könnten nicht glücklicher sein, jetzt in der Kürze der Zeit einen guten Platz zum Unterstellen gefunden zu haben.
Die sieben Tage bis zu unserem Abflug vergehen rasant: Packen, alles organisieren und Berta leeren. Zum Glück sind Brit und Nico da, die uns in unserem Chaos mit Essen versorgen! Ihr seid die Besten! Ohne euch hätten wir das nicht so gut regeln können, danke, danke, danke!
Und dann kommt der Moment. Wir stellen Berta ab und übergeben unseren Autoschlüssel. Es ist ein seltsames Gefühl, unser Zuhause zurückzulassen. Auch wenn es nur temporär ist. Zum Abschied klopfen wir Berta nochmal auf die Motorhaube und versprechen: Wir kommen zurück!
Die letzte Nacht in Mexiko verbringen wir in einem Hotel. Es ist warm und stickig. Uns fehlt jetzt schon unsere Berta, mit ihren Fenstern direkt am Bett und der frischen Luft in der Nacht.
Um 3 Uhr nachts macht es “dingeling” – der Wecker klingelt. Vom Hotelbesitzer werden wir netterweise zum Flughafen in Oaxaca gefahren.
Im Flughafen hieven wir unsere Sporttaschen auf das Gepäckband. Zweimal 17 Kilo zeigt die Waage. Holla die Waldfee. Wir haben einiges dabei, was wir nicht mehr brauchen und in Deutschland lassen werden, wie z. B. Annas Reiseführer Sammlung.
Home
Unser erster Flug geht nach Houston. Die Einreise in die USA war so unkompliziert, wie noch nie. Unser ESTA ist immer noch gültig und als der Grenzbeamte fragt wohin wir wollen, antworten wir “Home”. Er reicht uns unsere Papiere zurück und sagt “safe travels”.
Nach sechs Stunden Aufenthalt in Houston, fliegen wir weiter nach München. Der Flug ist unbequem, wir sind saumüde.
Und dann haben wir nach über 1,5 Jahren wieder deutschen Boden unter den Füßen. Krass. Wir verstehen alle, alle verstehen uns. Das macht es einfacher herauszufinden, wo der Bus nach Nürnberg abfährt.
Wir steigen in den Bus und sind noch müder als vorher. Aber wir müssen erstmal aus dem Fenster schauen.
Die ersten Autos mit deutschen Kennzeichen sausen am Fenster vorbei. Wir freuen uns und sofort kommt der Impuls, die Hand zu heben und zu grüßen. So haben wir es in Kanada, den USA und Mexiko immer gemacht. Denn dort ist es natürlich sehr besonders, einem Fahrzeug mit deutschem Kennzeichen zu begegnen.
Doch dann fällt uns ein: Wir sind ja in Deutschland, hier haben alle deutsche Kennzeichen – ups!
„Schön, dass ihr da seid“, ist der erste Satz, den wir hören. Dann folgen herzliche Umarmungen. Die Freude des Wiedersehens ist groß, aber die Stimmung ist auch etwas angespannt.
Ohne ins Detail zu gehen: Wir sind sehr froh, nach Deutschland geflogen zu sein. Es war definitiv die richtige Entscheidung. Inzwischen hat sich auch alles wieder positiv und zum Guten entwickelt.
Unsere ersten Erledigungen führen uns zu DM, zum Friseur und zu einem Dönerladen. Hätten wir gar nicht gedacht, dass ein vegetarischer Döner nach 1,5 Jahren soo unfassbar gut schmeckt.
Wir stöbern durch die Veggie-Abteilungen bei allen Supermärkten, genießen die vielen guten Käsesorten und kühles fränkisches Bier und Nörten-Hardenberger-Pils.
In den vergangenen Monaten haben wir Familie und Freunde besucht. Wir sind durch Deutschland und die Schweiz gereist. Wir haben es bei weitem nicht geschafft, bei allen vorbeizuschauen.
Nach den vielen Erlebnissen mussten wir das Erlebte auch erstmal sacken lassen. Oft wollten wir auch nur mal auf dem Sofa sitzen, Fernsehen gucken, nichts machen, keine neuen Eindrücke aufnehmen.
Wir möchten uns ganz herzlich bei unseren Familien bedanken, deren Gästezimmer wir in Beschlag nehmen durften und unsere Koffer auf den Boden auskippen konnten. Unsere Familien, die uns wissen lassen, dass wir jederzeit aus der Ferne in die Heimat kommen können und uns immer mit offenen Armen empfangen.
Natürlich haben wir uns auch sehr gefreut unsere Freunde zu sehen, die sich geduldig unsere Geschichten angehört haben und mit denen es einfach wieder so war, “wie immer”.
Außerdem geht auch ein großer Dank an Brit und Nico, die uns in dieser Zeit vor der Abreise aus Mexiko so sehr unterstützt haben. Die Freundschaft ist einer der größten Souvenirs der bisherigen Reise und wir freuen uns darauf, euch irgendwo und irgendwann bald wiederzusehen!
Und was passiert jetzt?
Wir reisen weiter!
Mitte November fliegen wir wieder zurück nach Mexiko und wollen – jetziger Plan – von Mexiko bis nach Panama fahren.
Wir freuen uns riesig auf den nächsten Teil der Reise – auf unsere Berta, unsere vier rollenden Wände, auf Mexiko, auf viele wunderbare Erlebnisse.
Teil 3 der Reise kann kommen!
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