Knapp drei Jahre waren wir unterwegs. Mit Berta, unserem Wohnmobil, sind wir durch Nord- und Zentralamerika gereist. Von Mexiko nach Kanada und von dort zurück bis Panama. Seit fast einem Jahr sind wir wieder zurück in Deutschland.
Wir möchten hier ein paar ehrliche Gedanken zur Frage teilen:
Was bedeutet es, zurück zu sein?
“Ihr seid wieder da, wie schön!”.
Das sind die ersten freudigen Nachrichten, die wir per Whatsapp erhalten.
Es ist schön wieder da zu sein, unsere Liebsten in den Arm zu nehmen und sich face to face bei Kaffee und Kuchen unterhalten zu können, anstatt per Sprachnachricht die Updates hin und her zusenden.
Im September 2024 feiern wir mit dem allerengsten Familienkreis unsere Hochzeit. Es ist ein für uns perfektes Fest mit bestem Wetter, innigen Momenten und herzlicher Freude, dass wir uns lieben und miteinander durchs Leben gehen.
Wir waren in Berlin auf der ITB Messe
In den nächsten Monaten folgen Einladungen zu Geburtstagen, Wiedersehen mit Freunden, Messen, zu denen wir beruflich reisen, und vieles mehr.
Unsere Koffer, die wir noch in Panama gekauft haben, packen wir mehrere Monate nicht aus. Welch ein Glück, dass wir erstmal bei unseren Eltern unterkommen können und uns vorerst nicht mit der Wohnungssuche beschäftigen müssen.
Die Koffer sind unser ganzes Hab und Gut neben Berta und den paar Kisten auf dem Dachboden, die wir noch besitzen. Sie stehen symbolisch für unser “mobiles” Zuhause und die Unordnung in ihnen spiegelt auch ein wenig die Ahnungslosigkeit wider, wo wir eigentlich leben wollen.
Wohin soll man ziehen, wenn man “quasi” freie Wahl hat?
Wir schieben diese Frage immer wieder fort. Wir arbeiten unsere To-Dos für unsere Kundenprojekte ab und wollen uns nicht mit der großen Frage konfrontieren. Weil wir einfach keine Antwort darauf haben und auch nicht wissen, wie wir sie finden sollen.
Es ist auch komisch “wieder da zu sein”. Eben saßen wir noch in Panama. Jetzt sind wir in Deutschland. Eben waren wir noch Weltreisende – was sind wir jetzt? Da muss der Kopf erst einmal hinterher kommen.
Quasi „gestern“ haben wir Berta im Hafen von Colon in Panama für die Verschiffung abgegeben
Berta kommt unversehrt in Bremerhaven wieder an
Es ist ungewohnt, sich nicht jeden Tag an einen neuen Ort zu bewegen. Wir wissen, wo wir in den nächsten 48 Stunden sein werden. Seltsam, nicht mehr unseren Camper als Rückzugsort zu haben. Und gleichzeitig tut es total gut, nicht jeden Tag alles neu suchen zu müssen und vieles ist gewohnt.
Wir haben uns auf Deutschland gefreut. Denn am Ende der Reise waren wir sehr reisemüde – bis heute. Bis in die letzte Haarspitze. Wenn uns jemand gefragt hat: „Wo geht’s als Nächstes hin?“ hätten wir am liebsten sagen: Nirgendwo. Nur aufs Sofa.
Über Reisemüdigkeit kann man nicht mit jedem sprechen, den ehrlichsten Austausch haben wir mit anderen Overlandern. Viele kennen das Gefühl.
Es ist bequem in Deutschland. Wir verstehen die Sprache, jeder versteht uns. Es ist einfach, wir kennen die Verkehrsregeln, Produkte in Supermärkten, wie man Geld abhebt.
Manchmal ertappt sich Anna dabei, dass es “zu einfach” ist. Wo ist die Herausforderung, die wir meistern können? Die uns zeigt, dass wir selbstwirksam sind?
Und dann fällt uns wieder ein: Wir meistern so viel! Erlebtes verarbeiten, uns orientieren und unsere Selbständigkeit als Blogger & SEO-Expertinnen und mehr.
Mit jedem Tag im “Zurück” merken wir: Zurück zu sein heißt nicht, dass alles wieder so ist wie vorher. Kein „weiter wie gehabt“. Es bedeutet, anzukommen in etwas, das sich vertraut und gleichzeitig ganz neu anfühlt.
Zurück zu sein heißt auch: Wir müssen uns orientieren. Wir müssen erstmal herausfinden, was bleibt, was sich verändert hat und was wir wollen. Und das dauert. Und das darf dauern.
Wir tragen alles, was wir erlebt haben, in uns. Alle Eindrücke aus den letzten drei Reisejahren und in den zwei Jahren der Vorbereitung auf diese Reise.
Vor der Reise bekommt Berta nagelneue „All-Terrain Reifen“
Endlich in Veracruz – unsere Reise startete im November 2021 in Mexiko
Berta unter Palmen in Yucatan, Mexiko
Es fühlt sich an, als wäre es gestern gewesen, dass wir unser Hab und Gut in Köln verkauft haben und unseren Chefs die Kündigung überreicht haben. Als wäre es gestern, dass der rot-weiße Frachter von K-Line in Veracruz einfährt und wir mit unserer Berta aus dem Hafen fahren und mit dem allerletzten Tropfen Diesel die erste Tankstelle außerhalb des Hafens erreichen – aber das ist eine andere Geschichte 😉
Und jetzt sind wir wieder hier – aber eben nicht die Gleichen, die damals im November 2021 in den Flieger nach Mexico City gestiegen sind.
Zurück sein heißt für uns auch: Lernen, langsamer werden zu dürfen.
Das Tempo der Straße steckt noch lange Zeit in uns. Fahren, Orientieren, Ankommen, Kochen, Essen, Schlafen. Dazwischen Erlebtes genießen und ab und zu Probleme lösen. Der Rhythmus der Straße ist wie ein gut laufender Motor.
Während der Reise hatten wir keinen Terminkalender. Wenn wir ein Problem hatten, sind wir zum nächstbesten Ort gefahren, haben unser Anliegen erklärt und eine Lösung organisiert. Ölwechsel, Arztbesuch – alles geschah sofort.
Jetzt dürfen wir auch mal auf Pause drücken. “Der nächste Termin ist erst in vier Wochen, ok”.
Etappe für Etappe
Das Schöne am Reisen war auch: Wir waren auf einer Reise – mit grober Richtung und festen Etappen.
Von Paso Canoas nach San José. Von Oaxaca nach Mazunte. Wir wussten: Da geht es lang.
Drei Jahre waren wir unterwegs. Ein Highlight von vielen: Valley of the Gods in den USA
Auf der Reise haben wir von so vielen Menschen Unterstützung erhalten, WEIL wir auf Reisen waren. Wir wurden herzlich eingeladen zum Abendessen, mal eine Wäsche machen, unter eine heiße Dusche stellen, plaudern über unsere Erlebnisse. Ihr braucht einen Stellplatz – ach kommt doch einfach rein, wir haben ein Gästezimmer!
Im Alltag sind die Etappen nicht immer so klar. Wo geht es jetzt hin? Welche Etappe kommt als Nächstes? Die nächste Etappe liegt nicht ganz so klar vor uns wie ein Google Maps Marker für den nächsten Ort.
Wir sind zurück. Aber unsere Reise geht weiter, nur nicht ganz so im Äußeren – vieles passiert in uns und hallt nach.
Schon bevor wir überhaupt losgefahren sind, wurden wir gefragt: Wann kommt ihr zurück?
Wir leben in einer Gesellschaft des „nächsten Schrittes“. Was kommt als Nächstes? Was willst du werden? Wohin geht die nächste Urlaubsreise? Wir sind so sehr damit beschäftigt, Pläne zu machen, dass wir oft vergessen, den Moment zu spüren. Das Jetzt. Die Herrlichkeit des Augenblicks.
Auf der Reise lebten wir intensiv im Drei-Tages-Rhythmus: Gestern – Heute – Morgen. Wir genossen den Luxus, im “da waren wir gestern – heute sind wir hier und morgen fahren wir nach X” zu leben.
Wie es bei uns jetzt also weiter geht? Da haben wir einen ganz klare Antwort: Mal schauen 🙂 – aber schön wird es werden!
Wie fühlt sich die Freiheit an?
Für uns fühlt sich Freiheit “leicht” an und sie riecht wie die Erdbeerfelder in Kalifornien.
Sie ist weit wie die staubigen Straßen in Utah.
Sie hört sich an wie das tosende Wellenrauschen des Pazifiks.
Sie schmeckt wie frische Tacos in Mexiko.
Sie prasselt wie ein Donnerregen im Dschungel von Costa Rica und sie weckt einen morgens auf, wie das Glucksen von Papageien, die zwischen den Palmen hin- und herspringen.
Freiheit ist wie eine plötzliche Gänsehaut auf den Armen, wenn die Emotionen einen übermannen, weil man merkt: Wow. Wir sind frei. Wir machen genau das, was wir wollen. Wenn wir diese Zeile schreiben, wissen wir ganz genau, wie sich die Freiheit anfühlt.
Wir hätten am liebsten immer mal wieder ein Glas aus dem Fenster gehalten und den Duft der Freiheit eingepackt.
Übernachten mit Blick auf den Pazifik, Baja California, Mexiko
Antelope Canyon – Utah, USA
Pieks mich mal – Eine Delfinschule begleitet uns beim Kayak fahren in der Sea of Cortez
Winterpause für Berta
Wir haben Berta winterfest untergestellt. Das Geschirr steht noch genauso im Schrank wie damals in Panama, als wir alles für die Verschiffung eingeräumt haben. Wenn wir Berta betreten, liegt der gleiche Duft im Camper – es riecht wie Abenteuer. Es fühlt sich manchmal an, als wären wir noch gestern in Panama gewesen.
Als wir nun vor ein paar Tagen die Schiebetür wieder öffnen, ist es das gleiche Geräusch, das wir tausendmal gehört haben. Es ist das Geräusch, das sagt: Los geht’s!
Und da ist sie ganz langsam wieder: Die Reiselust.
Wir öffnen die Schränke – dieses “Schnipsen” der Schrankknöpfe, wenn man sie öffnet und schließt – so vertraut. Wir ziehen das Hubbett nach unten – die Druckluftfedern machen “iiiiuuuääääh” und es hört sich immer noch so an, als würde Dracula seinen Sarg öffnen. Wir müssen lachen.
Im Handschuhfach liegt noch unsere “Anleitung”, wie man Berta startet. Das war gedacht für die Matrosen auf dem Frachter, die Berta auf das Schiff gefahren haben. “Die Anleitung bleibt da. Als Erinnerung”, sagt Anna.
So langsam kribbelt es wieder, aber es ist ein bisschen anders.
Die Freiheit ist wieder da, die Abenteuerlust rollt gaaaanz langsam an. Wenn dann, erstmal eine entspannte Tour, vielleicht ins Allgäu? Dorthin haben wir unseren ersten Campingtrip gemacht und es hat fürchterlich durch die undichten Fenster reingeregnet. Vielleicht geht es auch nach Moringen – dort haben wir unseren ersten Trip mit Landvergnügen gemacht.
Mal schauen, wohin uns der Wind und die Lust treibt.
Projekte, Pläne, Pausen
Wir arbeiten von unterwegs als SEO Expertinnen und Reiseblogger
Unsere Selbstständigkeit lief gut im letzten Jahr. Wir haben spannende SEO-Projekte begleitet, mit tollen Menschen gearbeitet. Es macht uns richtig viel Spaß.
Klar, der abgedroschene Spruch “Selbständig = selbst und ständig” stimmt irgendwo.
Und trotzdem sind wir, dank der Selbständigkeit, auch “ständig wir selbst”. Wir machen das, was wir sehr gut können und haben dabei das Steuer in der Hand. Auch ein sehr großes Stück Freiheit 🙂
Und zwischen Kund:innen, SEO-Beratung und Blogartikeln gibt es da noch diese Ideen im Hinterkopf:
- Ein Buch schreiben. Zehn Seiten stehen. Der Rest wartet.
- Ein Fotoalbum gestalten. Unsere Reise in Bildern festhalten.
- Einen Vortrag vorbereiten. Unsere Geschichte teilen.
- Ein Panamericana Treffen veranstalten für Camper, die auf der Panamericana unterwegs waren und solche, die sich dafür interessieren.
- Ein Grundstück finden. Ein kleines Haus bauen.
Wie wir uns verändert haben
Wir fühlen uns selbstwirksamer als je zuvor. Wir haben gemerkt, dass wir (fast) alles schaffen können. Einen Ladebooster einbauen ohne großartige Elektro-Kenntnisse – kriegen wir schon hin!
Ersatzteile in Mexiko auftreiben, Zollformulare ausfüllen, bei Pannen Lösungen finden. Unsere Grundhaltung ist: Wir kriegen das hin. Und wenn nicht allein, dann lernen wir es oder finden jemanden, der uns berät.
Neben den schönen Erlebnissen, gehören auch Werkstattbesuche – oft spontane – dazu (Hier: San Miguel de Allende bei Matthias, wer ihn kennt, der kennt ihn 😉
Neue PerspektiVAN
Wir sind damals mit dem Arbeitstitel „Perspektivan“ losgezogen. Van, weil Berta unser Zuhause war. Perspektive, weil wir unseren Horizont und unsere Perspektiven auf das Leben verändern wollten. Und genau das ist passiert.
Auf dieser Reise haben wir so viele verschiedene Lebensrealitäten gesehen. Es gibt nicht die eine Welt. Wir alle leben auf der gleichen Welt im gleichen Jahr – im identischen Augenblick. Und gleichzeitig in ganz verschiedenen Lebenswelten.
Unsere Spanischlehrerinnen in Antigua erzählten uns von Korruption, von Angst, von Mut und Emanzipation. Wir saßen unter Palmen auf Plastikstühlen und hörten zu. Ihre Geschichten klangen nach – leise, hart, voller Würde.
In Mexiko trafen wir Menschen, die uns anvertrauten, wie sie nachts durch die Wüste über die Grenze in die USA gekommen sind, immer in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Und wie sie ihre Familien schließlich so sehr vermisst haben, dass sie wieder zurück nach Mexiko gegangen sind.
Wir haben Flüchtlinge in Mexiko gesehen, die bei 40 Grad mit einem Rucksack und Kids auf den Schultern den Highway entlang laufen.
In El Salvador wurden wir auf einem Parkplatz freundlich angesprochen, dass es so schön ist, dass wieder Besucher kommen – nachdem der lange Bürgerkrieg und die Bandengewalt seit wenigen Jahren endlich ein Ende hat.
Oder die obdachlose Frau in Calgary in Kanada, die im Auto lebt und uns erzählt, dass sie das nicht freiwillig tut … und die Welt ungerecht ist.
Und dann war da Jim Enote von den Zuni First Nations in New Mexico. Er erzählte vom Schmerz seiner Gemeinschaft. Vom Verlust. Und trotzdem sagte er diesen einen Satz: We are all one.
Oft drehte sich alles um diese Frage: Was ist ein besseres Leben? Mehr Sicherheit? Mehr Freiheit? Mehr Geld?
Für uns fühlt es sich an, als wäre ein erster Schritt zum besseren Leben, wenn wir alle ein bisschen freundlicher und wohlwollend zueinander sind. Wenn wir zuhören. Wenn wir anerkennen, dass es viele Perspektiven gibt – und jede davon zählt. Und das können wir uns alle gegenseitig schenken!
Frühling im Herzen
Wir entdecken aktuell den Frühling neu. Und den Winter auch. Diese zwei Jahreszeiten haben wir vermisst.
Auf der Panamericana haben wir meistens Sommer und Herbst erlebt. Jetzt freuen wir uns über Krokusse, die ersten Gänseblümchen, die mutig ihren Hals recken, die warmen Sonnenstrahlen.
Innerhalb dieses Jahres sind wir inzwischen langsam angekommen und trotzdem ist es weiterhin eine Orientierungsphase. Es ist ruhiger. Und es ist gut so.
Wir sind neugierig und freuen uns sehr auf unsere nächsten Etappen, wohin die Reise auch gehen mag 😉
Anna & Anne